Alltägliches

Der Alltag kommt. Ich kann nichts dagegen machen - Will ich auch gar nicht! Warum auch? Ist doch mal wirklich angenehm, den Dingen einfach ihren Lauf zu lassen und ohne große Überraschungen atmen zu können. Es wäre natürlich nicht mein Leben, wenn gar nichts Neues passiert, aber immerhin kann man von Ruhe reden.


Mein Arbeitsleben ist tag ein tag aus das Selbe - und das ist auch verdammt gut so. Ich mache jeden Tag 10 Stunden lang das Gleiche: Ich kralle mir einen bestimmten Typ Fleisch vom Band und packe diesen zu ca. 27,7 kg in Kartons. Das ist ungefährlich und ich weiß genau, was ich zu greifen habe: nur das blutige Fleisch. Nebenbei trainiere ich damit meinen Körper recht gut und fühle mich bis auf mein schmerzendes Knie wohl. Die Kollegen... Ja... Also, wie bereits erwähnt sind die Kollegen etwas spezieller als meine Bisherigen.


Nahezu alle Männer sind tätowiert und nahezu jeder Mitarbeiter hat -auf gut deutsch- einen ordentlichen Treffer weg. Ich falle also nicht weiter auf. Da wären in meiner unmittelbaren Umgebung: Tiny - Der liebe Opa, der mir meine Kartons vorbereitet und sich nebenbei noch fürsorgsam um die Schärfe meines Messers kümmert. Der Name ist dabei Programm. Tiny war früher ein Boner (der, der das Fleisch von den Knochen schneidet), aber wohl körperlich nicht wirklich dafür ausgelegt. Er ist klein, wirklich klein - schon mehrfach konnte seine Größe mit meinem Ellebogen messen, als ich mich zu schnell nach einer neuen Box umgedreht habe - und schmächtig. Wenn Eltern ihr Kind mit einem Namen so prägen, dann schlägt sich das auch irgendwo im Charakter wieder. So lässt der gute Tiny immer mal wieder blicken, dass er nicht der nur gutmütige, liebe Opa sein kann, sondern durchaus über die Pornomöglichkeiten des hiesigen TVs Bescheid weiß, Mary gern mal ausführen würde und den ein oder anderen wirklich dreckigen Witz kennt. Das Ganze äußerst sich zumeist sehr kurios in plötzlichen "Ausbrüchen der Jugendlichkeit".


Von nun an steigert sich das Ganze nur noch mit unseren zwei Irren. Der "Irre 1" (so unser kreativer Spitzname für ihn) verfolgt uns seit unserem ersten Tag und versucht, wann immer es möglich ist, einem von uns ein Gespräch an die Backe zu nageln. Das lustige daran sind die Gedankensprünge, das Nuscheln und die Beständigkeit. Wenn der Irre 1 eine Frage hat stellt er sie nicht einmal sondern allen Menschen in seiner näheren Umgebung mit immer gleichem Wortlaut.

"Willi, was magst du für Musik?"

"Ach, da gibt es viel - je nach Stimmung: Jazz, Swing, Punk, Pop, Rock..."

-Pause für 5 Min-

"Magst du auch Opern?"

"Nein!" (sehr bestimmt)

-Pause für 5 Min-

"Magst du Panflötenmusik?"

"Panflötenmusik? What da hell..."

"Ja, magst du Panflötenmusik?"

"Nein!"

-Pause für 5 Min-

"Und warum nicht?"

AAAAAARGGGGGHHHH

Während ich bei diesem Gespräch noch recht kurz weggekommen bin, so kann es durchaus auch verlängert, verkompliziert, unverständlicher oder gar mit wesentlich mehr Gedankensprüngen zu sehr unangenehmen "Hä?"-Gesprächen kommen. Sollte man einfach mal beschließen, nicht zu antworten, so ist das nicht weiter schlimm für ihn oder mich (er ist es gewohnt und nimmt es mir nicht übel), aber Mary ist dann sofort sein nächstes Opfer, dass er mit der gleichen Beharrlichkeit und den gleichen Fragen bearbeitet. So kommt es, dass man die Gutste des Öfteren mal flüchtend durch die Gegend laufen sieht. Sorry dafür.


Bleibt noch der Irre 2 - auch hier wurde der Name mit sehr viel Sorgfalt ausgewählt ;-). 26 Jahre alt, kommt immer mit Mutti zur Arbeit und sieht ganz anders aus, als man ihn sich bis hierhin vorstellt. Am ganzen Körper tätowiert, das Auge von einer langen Narbe geziert (wahrscheinlich per Hand gesetzt), faulende Zähne und in viel zu langen schwarzen Klamotten mit Löchern unterwegs. Er ist der wohl beängstigstende von den Dreien. An und für sich ist er sehr nett und schaut beim reden immer ganz schüchtern auf den Boden und klimpert mit seinen Wimpern (die noch länger sind als meine), aber manchmal hat er seine Aussetzer – und die sind überhaupt nicht ohne. So kommt es, dass er einfach nur auf das Fließband starrt, ohne etwas zu machen oder sich zu bewegen und das für 5 Minuten, während der Hauptbetriebszeit. Eine halbe Stund später wird er dann aber auf einmal wieder viel zu aktiv und sticht mit seinem Messer sehr aggressiv auf vorbeikommende Fleischklumpen ein, schlägt sie einem Berseker gleich oder schnappt sich einen dieser 10 kg Klumpen und schlägt ihn sich ohne erkennbaren Grund abwechselnd auf je eine Schulter. Schön, dass dieser jemand nur 1 1/2 Meter vor mir mit einem verdammt scharfen Messer arbeitet. Und als ob das nicht genügen würde, kam es neulich, dass plötzlich laut knallte - rechts von mir. "Was war das?" Da lag ein demolierter Discman (portabler CD-Player). Der Irre 2 hatte sich Musik mitgebracht um sich den eintönigen Arbeitsalltag etwas unterhaltsamer zu gestalten. Leider hat ihm diese Musik dann doch nicht gefallen...


Natürlich gibt es auch noch erstklassige Kollegen, wie etwa Jenny von den filipinischen Inseln. Nach dem wirbereits einmal ihre sehr leckere asiatische Küche kosten durften, hatten wir schnell einen Termin für eine Cocktail-Party bei ihr ausgemacht, da sie in ihrem Leben noch nie betrunken war.

Gesagt getan - an einem freien Wochenende wurde bei ihr einmarschiert. Mehrere Liter Tequila und Vodka bildeten die Basis für diverse Cocktails und Longdrinks und mit vielen anderen Gästen wurde die Deutsch-Filipinisch-Neuseeländische-Freundschaft bei ständiger Wohnzimmerkaraoke als feucht-fröhlichen Besäufnis zelebriert. Auch der nächste Morgen war sehr entspannt... Halt! Da war doch was! Einer unserer Vorgesetzten hatte am Cocktailabend einen Streit mit seiner Frau - sie wollte gehen, er nicht, sie hat geschimpft, er hat sich im Bad eingeschlossen, sie war eifersüchtig, er hat Mary und Jenny schöne Augen gemacht (oder zumindest noch versucht) usw... Unter Alkoholeinfluss benimmt man sich nunmal mit unter seltsam. Ende vom Lied war dann, dass sie zu ihrer Schwester nach Auckland gefahren ist (6 Stunden entfernt!!!), alle Autoschlüsel mitgenommen hat und er von Jenny dann zuerst nach Hause und dann zu seiner Mutter gefahren werden musste, weil er dort dann eingezogen ist...

Warum? Warum kann eine Cocktailparty auf unserem Trip nicht ganz normal verlaufen?


Letztes Wochenende haben wir uns mal wieder auf einen harmlosen Ausflug aufs Land begeben - Ich hatte der anderen Jenny versprochen, ihr auf der Farm zu helfen (Ja, die Jenny von meiner ersten Farm). Also auf nach Bell Block und rein in die dreckigen Klamotten - Kälber wiegen war angesagt. Ich hatte Spaß wie auch schon früher und habe mich in meiner Farmerrolle sofort wieder wohl gefühlt. Alles in allem verdammt unspektakulär, wenn man bedenkt, was Mary in der Zeit erlebt hat - aber das möchte ich jetzt nicht vorweg nehmen. Ich habe ihr in der Zwischenzeit die Unterkunft und das Essen erarbeitet, in dem ich Äste vom Baum geschnitten und gesägt habe. Dazu hatte ich eine riesige Heckenschere, eine Säge und eine Klappleiter. Und es kam, wie es kommen musste - Willi + Leiter... Ich stehe auf der obersten Stufe und quäle mich mit Ast (Druchmesser 15 cm), als plötzlich die Leiter zur Seite weg kippt. Inzwischen aber durchaus unfallerprobt, schmeiße ich das Werkzeug weg und klammere mich mit einem Arm am nächsten Ast fest. Und so hänge ich da, während Jenny unten steht und laut lacht... Nein, mir wurde nicht vom Baum geholfen - „ich würde das mit meinen Affengenen ja ganz gut alleine schaffen“.


Soviel dazu!


Meine Reiseroute wird sich im übrigen leicht ändern – ich werde wohl, wie es ausschaut, im August die neue Jenny auf den Filipinischen Inseln besuchen und über diese dann nach Hongkong ab nach Hause fliegen.

9 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

danke!

a.h.b.

Anonym hat gesagt…

gut zu wissen, dass es dir im exil gut geht und ihr schön zusammenhaltet!

nur eine frage ist für mcih jetzt noch offen geblieben: warum magst du denn keine panflötenmusik? ;-)

liebste grüße, anke

Hasselhoff hat gesagt…

Na dann pass mal auf das du erstens Normal wieder kommst bei den ganzen Irren dort und das du mir aus Hong Kong kein SARS oder sonstwas mitbringst.

Anonym hat gesagt…

Hey Willi - dich gibt's ja auch noch. Hm haben die also dort noch kein Mittel gegen Leute wie dich gefunden. Naja auch ganz gut so.

Bleib so wie du bist und man sieht sich im Leben immer zweimal.

MfG Peter - Ex-Banknachbar und so :)

Anonym hat gesagt…

Über die Arbeitskollegenbemerkung musst ich wirklich gaaaaaaaaaaaanz breit grinsen :0)Ich wage zu behaupten, dass unsere Gespräche doch etwas anspruchsvoiller waren
:0D Liebe Grüße von Olga

Anonym hat gesagt…

Bei den Kollegen musst du aufpassen, dass du nicht auch noch solche Macken ausbrütest. ;)

Deine "kleine" Routenänderung hört sich sehr interessant an... freue mich schon auf weitere Erzählungen.
Weiter machen! ^^

LG

Anonym hat gesagt…

das wollte ich schon lange fragen: wie heißt denn nun der irre 2? den namen hast du uns vorenthalten. und gleich noch frage 2: warum sind die kühe auf dem foto (stall in bell block) am hintern rot besprüht? vielleicht interessiert das auch andere, auf jeden fall aber die mama

Anonym hat gesagt…

frage 1: wie lautet denn nun der passende name des irren 2?
frage 2: weshalb sind die kühe auf dem foto rot angesprüht? vielleicht interessiert das auch andere leser, auf jeden fall aber die mama

Anonym hat gesagt…

Hey Willi, hab grad den Link vom Peter gekriegt...dich gibts ja auch noch...Netter Blog, muss ich sagen :-)
Viel Spaß noch in der weiten Ferne.

Liebe Grüße

Claudi 69