In den Sand gesetzt



Obwohl es nahezu ununterbrochen regnet, war meine Laune auf höchstem Level. Selbst Jenny, die schnell mit ihrer Stimmung umschlagen kann, war angenehm ausgeglichen. Das sollte aber nur die Ruhe vor dem Sturm sein.

Nachdem ich Jennys Pickup etwas ungünstig geparkt hatte und sie ihn darauf noch ungünstiger wenden wollte, fraß dieser sich in den, durch den Dauerregen entstanden, Matsch auf der 2. Farm. Die Rettungsaktion dauerte eine gute Stunde, war aber auf Grund der bereits angesprochenen guten Laune nebst der körperlichen Verausgabung eigentlich pures Matsch-Vergnügen.

Nun kam es gestern, wie es kommen musst. Ich habe die verdammt schweren Futtercontainer von einer Weide zur nächsten transportieren müssen und anschließend sollte ich sie noch mit 4 der noch schwereren Futtersäcke füllen. Da Jenny rief mit dem Rücken zu mir, aus etwa 20 Meter Entfernung durch den Sturm: „Fahre den Pickup auf die Weide!“ Ich nahm die Einladung dankend an, da ich keine Lust hatte, das ganze Zeug zu schleppen und lud alles auf die Ladefläche.

Ab in den Pickup, und los ging’s. durch das Tor und… ab zur Seite. Der Schlamm unter den Vorderrädern hat den Pickup etwa 20 cm nach rechts driften lassen. Genug um haarscharf am Torpfosten vorbei zu schlittern und mit dem etwas breiteren Heck an eben jenem hängen zu bleiben.

Geistesgegenwärtig, habe ich noch schnell genug gebremst um Schlimmeres zu verhindern. Keine Kratzer, Tor ganz, Auto auch – komplett. Einmal tief durchgeatmet und ausgestiegen. Lage peilen. Die Lage war die, dass Jenny angerannt kam – außer sich vor Wut. Da mir der Schreck noch merklich in den Knochen saß, wollte mein Englisch auch nicht so recht, wie ich wollte, weshalb ich mehr stotternd als fließend ihr erzählte, was passiert war. Ein weiterer Fehler! Sie hatte mir gesagt, dass ich den Pickup NICHT auf die Weide fahren solle… Scheiße! Dieses kleine „DON’T“ war etwas untergegangen.

Nun stand ich da – unter regem Wortbeschuss. Ich habe keine Ahnung, was sie mir alles an den Kopf warf, aber es war eindeutig zu viel! Irgendwann –nach einem gefrusteten Versuch den Pickup zu befreien, wobei sie beinahe, das ganze Tor mitriss- dann die Erlösung: Ich sollte den ATV holen. Das hieß für mich, ein bisschen Laufen, den Kopf frei kriegen und eine schnelle Lösung des Problems.

Nachdem ich mit dem ATV zurück war, dauerte es keine 5 Minuten, dass der Pickup wieder „festen“ Boden unter den Rädern hatte. Jenny war mir immer noch verdammt böse – wahrscheinlich, weil im Endeffekt nicht wirklich etwas passiert ist und die Lösung mit dem ATV am Tag zuvor schon von mir kam!

Zurück auf unserer Farm, habe ich dann erst einmal meine Sachen gepackt – ich habe mir 3 Jahre lang solche Launen an den Kopf werfen lassen – ich wollte nur noch weg. Ich kam allerdings nicht weit, da ich noch allerhand auf der Farm zu tun hatte, was ich auch pflichtbewusst hinter mich brachte. Als dann am Abend noch irgendwo ein paar Kälber durch den Zaun brachen, wurde ich auch nochmal dafür verantwortlich gemacht, aber das prallte dann einfach nur noch an mir ab, da ich alles genau nach Absprache verschlossen und unter Strom gesetzt hatte.

Heute Morgen war dann auf einmal alles wieder in Butter – Jenny war so zuckersüß freundlich beim Guten-Morgen-Sagen, dass mir schon die Zähne weh taten. Ich sehe das als Entschuldigung für den Ausraster und werde bis auf Weiteres doch hier bleiben.

(Anmerk. d. Red.: Ich bin mir meiner Teilschuld im Übrigen voll bewusst, aber ich habe eine gewisse Würde. Dazu kommt, dass ich allein auf offenem Feld stehe und mit niemandem meine Eindrücke, Erfahrungen, Missgeschicke und Erfolge teilen kann - das ist ein sehr einsames Gefühl, das emotional sehr an mir zehrt.)





Eine Anekdote, die ich im letzten Eintrag vergessen hatte:

Ich habe über 5 Ecken hier eine ausgewanderte Berliner Familie kennen gelernt. Die haben mich das ein oder andere Mal schon beherbergt, bekocht und mitgeschleift (die Häuserbesichtigung an meinem Geburtstag). Eben dieser Familie wohnte ich am Samstagabend vor 1 ½ Wochen bei. Es sollte auf eine Party gehen, nur wussten die beiden jüngeren Familienmitglieder noch nicht so recht, wo denn eine stattfinden sollte. Papa war strikt dagegen und die Mama ermunterte zur Partysuche, wo es nur ging.

Schließlich wurde gegen 10 oder 11 dann eine Feierlichkeit außerhalb von New Plymouth ausfindig gemacht. Der Papa wurde dann doch noch bequatscht zu fahren, da die Mama und der fahrerlaubte Sohn bereits zu Hause getrunken hatten.

Wir kamen nachdem ein oder anderen Mal falsch Abbiegen doch bei der Feier an. Die Mama stieg nur noch schnell mit aus dem Auto um sich von den richtigen Gestalten überzeugen zu können, in deren Hände sie ihre Kinder gab.

Nur stieg sie nicht zurück ins Auto – ihr gefiel es auf der Feier. Geburtstagsfeier um genau zu sein. Wir hatten keine Ahnung von wem und ich welcher Verbindung die Person zu dem minderjährigen Mädchen stand, dass uns dorthin gelotst hatte, aber da es Alkohol und Essen kostenlos im Überfluss gab, blieben wir einfach unter den Gästen.

Irgendwann kam dann der Gastgeber zu mir. Ob ich den die deutsche ältere Frau kennen würde. Ich bejahte das und wurde dann angewiesen sie aus seinem Schlafzimmer zu befördern. Im Haus konnte ich dann auch sehen, dass ich alles richtig verstanden hatte – die gutste Mama schlief überaus glücklich im fremden Bett. Da hatte sich wohl jemand kräftig überschätzt.

Nachdem die Mama verfrachtet war, lies der Tumult im Garten auf etwas Spaß schließen. Also wieder raus und ab zu der lachenden Menschenmenge. Und ja es war ein Spaß – nur nicht für mich. Die Tochter hatte es der Mutter gleich getan und wohl etwas zu viel des gegorenen Beerensaftes getrunken, denn ihre Beine bewegten sich grundsätzlich in eine andere Richtung als ihr Oberkörper.

Das Ganze wäre ja nicht sonderlich dramatisch, wenn es nicht in der Nähe eines riesigen Lagefeuers und eines sehr steilen Abhangs (mit anschließendem Fluß) zu solchen Taumelattacken gekommen wäre. Vom Lagefeuer konnte ich sie mit ihrem Bruder noch verhalten. Aber dem Hang fiel sie dann zum Opfer, als sie sich auf den (schon sabbernden) Freiwildjäger in Gestalt eines weiteren betrunkenen männlichen Gastes einließ. Mit diesem verschwand sie im Dunkeln, was in diesem Fall Hang bedeutete und war für bestimmt eine halbe Stunde nicht mehr gesehen.

Eigentlich sollte mich das ja nichts angehen, aber da sich der Bruder auf Grund seiner Hormone, des Alkohols und seiner Gesprächspartnerin nicht mehr auf seine Schwester konzentrierte, habe ich mich dann doch überwunden mal nach ihr zu schauen.

Sie hing am Hang. Wahrscheinlich schon die gesamte halbe Stunde. Der Weg nach oben war ohne fremde Hilfe nicht mehr möglich – und selbst mit fremder Hilfe sollte es noch gute 45 Minuten dauern, bis endlich alle am oberen Ende des Hügels waren. Der Bruder hatte inzwischen auch das Ende des Tunnels gesehen und war seiner kaum noch mächtig, wollte mir aber noch immer kluge Ratschläge erteilen. Die Schwester lag laut fluchend am Boden. Schrie alle an, auf Deutsch, dass ihr BH offen sei, sie noch laufen könne und sie alle umbringen wird.

Ich war nass, meine Lieblingsjeans übersät mit Gras und meine Nerven lagen blank. Ich war in einer Stadt die ich nicht kannte, mit drei Menschen, die zu nichts mehr im Stande waren, ohne eine Bleibe für die Nacht oder eine Aussicht auf eine Fahrt zurück zum Haus der Berliner. Den Vater hatten wir samt Auto, seit dem Moment, an dem wir zu viert aus dem Auto gesprungen waren, nicht mehr gesehen.

Und eben just in diesem Moment sah ich durch eine Hecke den grünen Jaguar blitzen – Meine Erlösung! Der Vater hatte die ganzen Stunden Wartezeit im Auto gewartet und hatte nur ein Stück abseits geparkt. Ich ließ Schwester und Bruder fallen und rannte los. Er half alle drei Familienmitglieder ins Auto zu laden.

Bloody Germans!!! – nie war mir meine Herkunft auf einer Party so peinlich!

Das mit dem Kommentieren klappt ja jetzt schon fast ganz gut – demnächst gibt es dann auch wieder Bilder! Bisher hat sich aber nur eine Person für die Info-Mail bei neuen Blogeinträgen angemeldet…



9 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

nun bist du lange genug in der fremde, um auch hinter die fassaden zu schauen. ja, mach den mund auf und lass auch deinem frust mal freien lauf!das ist sehr hilfreich, besonders für die rücksichtslosigkeit mancher mitmenschen, denen das aus angst oft keiner sagt.ich habe gevotet, aber nicht fürs geldverdienen!
die mama

Anonym hat gesagt…

Hi Willi,

da will ich jetzt auch hier mal einen kurzen Kommentar hinterlassen, obwohl ich ja schon immer so fleißig e-mails schreibe.
Den Wink auf Plasticard habe ich verstanden.
Ich würde an deiner Stelle dahin gehen, wo es warm ist. Habe auch gevotet.

Bis zur nächsten Mail,

Dana

Anonym hat gesagt…

hi willi,
wir verfolgen mit großem interesse deine story´s, halt dich weiterhin so wacker, beschreib mal etwas genauer deine (unterkunft,familie,verpflegung u. umgebung). bleib fit wie ein turnschuh
"die hütte"

die veli hat gesagt…

Hallo Willi,
wer nichts macht,macht auch keine fehler!!!die jenny weiß wohl nicht,was sie an dir hat? ich bin schwer beeindruckt von deinen farmerlebnissen und wie du dich durchkämpfst. Mach weiter und bleib tapfer.habe auch gevotet und hoffe auf bessere zeiten
liebe grüße
die veli

Anonym hat gesagt…

schön, dass wenigstens nicht "get a room, guys" gefallen ist. wie gehts euch denn, der mary und du? und was machen die kälbchen? lebt aaron nun noch? solche dinge habe ich dort nciht erlebt...;-)
drück

Anonym hat gesagt…

ja, jennys "englisch" ist wirklich hinderlich. ich habe sie auch nie verstanden. aber dass weißt du ja. und immer dran denken: ziehen, nicht drücken!

Anonym hat gesagt…

wuah... bad german... =), naja willi, irgendwann ziehst du weiter und auf der nächsten farm kennt dich keiner ^^...hier regnet es und ist kalt sonst... alles wie immer.

renegade hat gesagt…

so. jetzt geb ich auch mal meinen senf dazu...

lieber willi... du hast dich ja richtig verändert. der einstige partylöwe ist zum verantwortungsbewussten farmer mutiert, der sich keiner arbeit scheut... klingt doch schon mal nach ner veränderung, die sich durchaus sehen lassen kann :)

ansich klingts nach ziemlich schwerer körperlicher arbeit. ich hoffe du hast trotzdem "enough time to calm down" und um die zeit zu geniessen.

in diesem sinne, liebe grüße in dass sehr weit entfernte williland *wiwi*

Anonym hat gesagt…

still watching

sincerely
the watcher