Entwicklungslandromantik

Nach einem mehr oder minder spekakulaeren Trip quer ueber die Suedinsel, hiess es packen und den Pilippinentrip vorbereiten. Da ich nur 20 kg im Flugzeug transportieren darf, habe ich noch schnell 2 Packete nach Hause geschickt. 2 Pakete? Ja, 2! In Neuseeland kann man mit der Post naemlich maximal 20 kg verschicken...Toll!
Zwei Tage vor meiner Abreise aus Taranaki konnte ich dann ueberraschenderweise noch Marys Van verkaufen. Einen Tag spaeter wollte der neue Besitzer auch schon vorbeikommen und den Van abholen. Und weil alles so perfekt lief, sass ich dann abends gespannt mit meinem Handy da und wartete nur auf das grosse „Denkste“. Ich wusste, dass der neue Eigentuemer erst gegen Mitternacht ankommen, da er von Auckland nach Arbeit bis nach Hawera fahren wollte. Dummerweise versagte der Radiator seines Transportautos auf der Strecke. Was nun? Er war gute 4 Autostunde von Hawera entfernt und ich wollte eigentlich meine Sachen fertig packen und noch ein bisschen Schlaf fassen, denn der naechsteTag sollte von min. 6 Stunden Autofahrt gepraegt werden... aber ich wollte auch Marys Van endlich los haben.
Ich habe mich also fuer eine Abholfahrt entschieden mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass ich 4 Stunden nach Hamilton fahre, 4 zurueck und somit fruehestens 4 Uhr ins Bett komme, aber um spaetestens 8 Uhr wieder aufstehen muss.

Ich war munter und ausgeruht, im Radio lief gute Musik und es nieselte nur ein bisschen – ich hatte gute Laune. Kurz nach Hawera stand ein Anhalter am Strassenrand und mit guter Laune im Blut dachte ich mir, dass es ja nicht schaden kann an diesem Abend noch jemandem zu helfen. Also nahm ich ihn mit. Er war soweit ach recht nett und bot mir sogar ein Bier an... Okay, Bier war fuer mich als Fahrer nicht optimal und ich musste ablehnen, aber immerhin. Muffensausen bekam ich dann aber, als er mir er erzaehlte, dass er von der Polizei gesucht wird und Alkoholiger ist (er drehte sich reht haeufig leicht paranoid um). Meine gute Laune war hin. Wenn der Abholtrip SO anfaengt, dann weiss ich, dass dieses „Denkste“ ein wirklich grosses ist. Trotz aller schlimmen Erwartungen konnte ich den fluechtigen Schwerverbrecher dann in New Plymouth ohne Probleme absetzen und meine Tour fort setzn. Inzwischen war das Niesel zu einem schweren Regen angeschwollen. Die Strasse wurde enger und wand sich zwischen den Bergen und Huegeln in Richtung Norden und es war dunkel wie im Baeren... fell. Als (inzwischen) erfahrener Nacht-Serpentinen-Fahrer kam ich auch rech gut voranund war trotz der Wetterbedingungen recht entspannt... bis ploetzlich –in einer Rechtskurve- auf einmal alles ganz schnell ging. Links der Abhang, rechts die mit Geroell verschuettete Fahrbahn und ein paar Buesche. Auf das Geroell konzentriert, bremste ich meinen Wagen ein wenig ab und hielt mich moeglichst weit links. Als ich das Geroellfeld fast passiert hatte, schob sich aus der Dunkelheit am Fahrbahnrand eine Gestalt durch die Buesche auf die Fahrbahnmitte - um genauer zu sein, auf meine Fahrspurmitte – und blieb da stehen. Etwa 15 Meter vor meinem Auto. Die Zeit fror ein. Wie in einem Film hatte ich ploetzlich Unmengen von Zeit jede Aktion bis ins kleinste Detail zu ueberdenken. Wie weit konnte ich bis zum Abhang steuern? Wie starke konnte ich bremsen? Sollte ich hupen? Wie stark sollte ich einlenken und wann und wie stark gegenlenken? War ein Auto hinter mir? Sollte ich denn Schatten einfach ueberfahren? Nachdem ich alle Fragen fuer mich geklaert hatte, lief die Zeit wieder weiter. Wenn ich beim Einparken mit einer solchen Praezision, wie in dieser Situation agieren koennte, waere es selbst mit einem LKW in der Neustadt einfach einen Parkplatz zu finden. Ich touchierte die Gestalt mit meinem rechten Seitenspiegel und lugte mit meinem linken Seitenspiegel ueber die Leitplanke. Das Auto brach nicht aus – ich bremste kaum. Im Scheinwerferlicht des Autos hinter mir konnte ich im vorbeifahren endlich erkennen, was diese Gestalt war: eine daemliche Bergziege. Gluecklicherweise war kurz nach dieser Kurve eine Parkbucht. Ich hielt an und fing urploetzlich an zu zittern. Mir wurde klar, wie knapp die Situation gewesen war. Selbst fuer mich und meine bisherigen Abenteuer war das zuviel Adrenalien.
Nach einer kurzen Pause setzte ich meinen Trip weiter fort. Noch bevor ich die Autokaeufer einsammeln konnte, wurde ich zwei mal von der Polizei angehalten, was mich aber nicht mehr weiter anhob. Die Rueckfahrt gestaltete sich dann gluecklicherweise wesentlich angenehmer und war nur eine Ausdauerfrage. 4.30 Uhr fiel ich schliesslich glucklich in mein Bett. 8.15 schrillte der Wecker und nach 2 Kaffee und einem Redbull gings auch schon wieder ans Steuer. Gute 6 Stunden spaeter kam ich dann schliesslich gluecklich in Auckland an. Meine letzte Neuseeland-Autofahrt. Es war geschafft, nichts ist passiert und das Auto ist auch noch ganz. Ben und Kate meine Aucklandhosts verwoehnten mich die kommenden Tage mit wunderbaren Mahlzeiten, einem warmen Bett und vielen sehr interessanten Gespraechen. Dafuer kuemmerte ich mich um die zwei juengsten der Familie: Alex und Tara. Tara hatte 6 Zaehne „gezogen“ bekommen und konnte nur mit einem Strohhalm essen. Ihre Laune war dementsprechend im Keller und die Langeweile war nicht zu uebersehen. Mit etwa 274 Partien Monopoly lies sich sich dann aber doch aufmuntern. Alex wiederum ist staedig aktiv und fordert staendig Aufmerksamkeit – mit einem daenischen Wunderezept konnte ich allerdings auch ihn ruig stellen. Waehrend er bei Gesellschaftsspielen nur mit viel Anstrengung fuer ein gessamtes Spiel konzentriert bleib, konnte ich ihn mit Lego stundenlang beschaeftigen.
Nach vier Tagen hiess es dann aber auch „Good Bye“ und es ging auf zu meinem letzten grossen Abenteuer. Ohne erwaehnenswerte Probleme kam ich nach insgesamt 14 Stunden Flug in Manila an.

Obwohl ich weder Jenny noch Dave am Flughafen finden konnte, freute ich mich nach 2 Monaten Frieren sehr ueber das warme Wetter und schlenderte mit kiwitypischer Gelassenheit los. Ich hatte keine Ahnung, wo ich hin sollte, mein Handy hatte ich in Auckland gelassen und philippinische Pesos hatte ich auch nicht. Vielleicht gerade weil mich nichts mehr anhob, ueberraschte es mich dann umso mehr Jenny und Dave doch noch zu treffen. Sie warteten auf dem Parkplatz. Es hatte also einen Grund, warum ich kein Geld hatte und somit mir auch nicht vorher ein Taxi genommen habe, sondern instinktiv nach rechts glaufen bin. Manchmal muss man einfach Glueck haben. Ich wurde in ein schoenes Hotel gebracht und konnte mich auf einem grossen Bett dann endlich ausschlafen... Nun gut 6 Stunden schlaf mussten reichen, denn am naechsten Morgen ging es dann zeitig los – Jenny wollte sich Apartments in der Stadt angucken.
Einige Apartments und zwei Malls (typisch amerikanische Einkaufscentren) spaeter hatte ich die ersten Eindruecke gesammelt. Mit Geld konnte man hier alles bekommen – dummerweise gibt es nur sehr wenige hier, die sich ueberhaupt eine richigeWohnung leisten koennen. Wie auch, wenn ein durchschnittlicher Tageslohn bei 2,50 Euro liegt?!
In der kommenden Nacht ging es dann mit dem Auto (vollgepackter Van mit sieben Insassen, einer davon im Kofferraum) in Jennys Provinz. Die kommenden 13 Stunden im Auto bekam ich dann erstmals ein wirkliche Idee, was es hiess auf den Philippinen zu leben. Echte Haeuser gab es ausserhalb von Manila kaum. Bambus- und Blechhuetten beschreibe die Doerfer mitten im Urwald. Zwischendurch stechen vereinzelt amerikanische Restauranteketten ins Auge, die jeweils einen oder mehrere Securitys in einer schillernd weissen Uniform vor der Tuer stehen haben.
Waehrend der gesamten Autofahrt schwankten ich von Faszination zu Mitleid und Verwunderung. Ich wurde auch staendig unsicherer wie genau „Jenny’s Place“ aussah. Ausserhalb von Manila habe ich keine modernen Haeuser mehr gesehen. Hier und da standen noch baufaellige Villen von vor 90 Jahren.
Gegen neun Uhr kamen wir dann schliesslich an. Da ich muede und es draussen bereits dunkel war, erkundete ich nichts mehr sondern ass nur noch Huehnchen mit Reis und verschwand ins Bett. Dass wir das Huehnchen unterwegs von einem Strassenstand mitgenommen haben und es voller Knochensplitter war (das Huhn wurde am Stand einfach zerhackt und in eine Plastiktuete gestopft – dafuer kostet es aber noch nicht einmal einen Euro) stoerte mich nicht mehr.
Am naechsten Tag konnte ich dann langsam meine Eindruecke verarbeiten und mir ein Bild davon machen, was da eigentlich mein „Urlaub“ war, den ich mir zusammengespart hatte.
Das Haus war ein Haus der besseren Sorte. Steinwaende in den Schlaf-, Ess und Wohnzimmern und immerhin 2 Glasfenster an der Frontseite des Hauses. Es gibt fliesend Wasser und Strom, allerdings beides mit Einschraenkungen. Wasser gibt es nur in einer Temperatur und es ist definitiv nicht trinkbar. Strom gibt es – allerdings nicht immer und ueberall. Die Leitungen, die in den Philippinen verlegt werden erinnern eher an Spinnennetze als an Stromleitungen und manche Leitungen im Haus funktionieren einfach nicht.
Die Kueche befindet sich nicht im eigentlichen Haus, sondern im urspruenglichen Bambushaus an der Rueckseite des Esszimmers.

Es kostete mich viel Ueberwindungskraft all meine Mitbewohner zu akzeptieren. Neben den 25 Kindern, die tagsueber mit im Haus leben und den 10 Bruedern, Schwestern, Tanten und Onkels (ich habe den Ueberblick verloren) integriert sich naemlich auch noch die Natur mit in den Haushalt. Die Ameisenfamilie stoert mich dabei genauso wenig, wie die farbewechselnden Eidechsen, die an der Wand Fangen spielen – Eine Kakerlacke als stinknormales Insekt zu akzeptieren, dass durch Kueche und Esszimmer rennt breaucht jedoch einiges an Willenskraft.

Ansonsten ist das Leben jedoch wirklich angenehm. Ich friere nicht mehr – ich kann mich auch kaum nch daran erinnern, was es fuer ein Gefuehl ist, trotz Wintermantel im Schlafsack nachts vor Kaelte aufzuwachen. Es erscheint mir geradezu unwirklich. Auch das Thema Essen hat sich sehr positiv entwickelt. Anstelle von trocken Toast und 6 Wochen Chinanudeln, gibt es zum Mittag und Abendbrot immer die leckersten warmen Mahlzeiten des Landes. Die Kinder im Haus trauen sich nach nunmehr 3 Tagen auch endlich mich anzugucken und einmal pro Tag komme ich auch aus dem Haus. Jenny hat uns eingeblaeut, dass wir als Weisse nicht alleine raus duerfen – zu gefaehrlich. Heute schaffen wir es hoffentlich zum Internetcafe um diesen Blogeintrag abzuschicken.
Die Ironie ist mir dabei sehr wohl bewusst – representiert allerdings treffend den Charakter des Landes. Waehrend Jennys Schwestern, Brueder, Nichten, Neffen und so weiter alle ein Handy haben, wie ich es gerne haette, so ist nicht genuegend Geld da, eine Toilette mit Spuelung zu bauen, Kondome zu kaufen oder innerhalb von 3 Jahren eine Wand des Hauses fertig zu bauen.

Gestern wurde versucht, mir die aelteste und kluegste Tochter der Familie schmackhaft zu machen. Dave hat mir ausserdem gesteckt, dass 2 weiteren (und entfernteren) Frauen aus der Familie ausfuehrlich von mir berichtet wurde. Beide werden zu Jennys Geburtstag hier sein.

Wenn ich bis zum 4.9.2008 nicht verheiratet bin, komme ich planmaessig am 6.9.2008 um 15.05 Uhr auf dem Dresdner Flughafen mit dem Flieger aus London an. Ich freue mich ueber alle bekannten Gesichter auf dem Flughafen und wer mir irgendetwas mitbringen moechte, kann gerne am Flughafen ein kuehles Redbull kaufen – Ich werde nach 2 Tagen ohne echten Schlaf etwas muede sein!
Es werden nach meiner Ankunft noch 2 Blogeintraege folgen. Einer befindet sich bereits auf meinem Laptop, der sich wiederrum auf einem Postweg ohne jede Prioritaet befindet und der zweite und letzte wird noch einmal einen ausfuehrlichen Rueckblick geben.

Bis bald! Ich freu mich auf euch!

PS: Da ich in englisch und spanisch spreche, fuer den Blog in deutsch denke, es sehr warm und die Technik schon etwas aelter ist, verzichte ich auf Korrekturlesen und Rechtschreibkontrolle, AEs, OEs und UEs.

7 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

nur positivew nachrichten für mich:
super-despo bewältigt immer noch alle gefahren - gefährliche autofahrten und koffeinüberdosierung.
super-despo hat den internationalen monopolyrunden-rekord neu aufgestellt.
und super-despo kommt bald wieder!

freu mich schon auf dich, lange ist`s nicht mehr. genieß deine zeit noch ausgiebigst!!!

anke

Anonym hat gesagt…

Das klingt wieder sehr abenteuerlich ! Dunkle Bergziegen konnten dich nicht vom Weg abbringen und heiratswütige Philipinas hoffentlich auch nicht !Alles Gute für die letzten zwei Wochen deiner weiten-Welt-Tour.
Die Veli

Anonym hat gesagt…

Man, man, man, Willi, dein Leben ist nach wie vor voller Abenteuer :0))Aber Du meisterst jede Situiation entweder mit Glück oder mit Verstand oder aus Mischung aus beiden Zutaten :0)
Man sieht sich also bald bei einem CS-Treffen!!!! Egal, ob du eine Frau mitbringst oder nicht, ich freue mich, dich zu sehen :0)
Viele Grüße

Olga

Anonym hat gesagt…

lange nichts gehoert, dafuer nun umso mehr! danke. ich glaube- nachdem ich deinen bericht gelesen habe, dass wir hier in amiland im paradies leben. rich und kay haben nach dir gefragt. so kann ich nun berichten, dass du gut gelandet bist.ganz liebe gruesse von der mama

Anonym hat gesagt…

Kannst du es für mich als Hörbuch veröffentlichen?

Anonym hat gesagt…

Zur Not kommst du halt verheiratet mit neuem Familien-Anhängsel und Anhängsel-Familie zurück. xD

Anonym hat gesagt…

Auch wenn ich trotzdem nicht tauschen will, so musst du ein echt prägendes und interessantes Leben leben.
Was ich eigentlich bemerken wollte: Je weniger du im Schlafsack anhast, desto wärmer wird dir. Außer Socken, die solltest du haben. Klingt unlogisch, kann ich dir auch acht Jahren Erfahrung aber bestätigen.